Wolfram Däumel, Berlin 2017, Bürgerbeteiligung Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee in Berlin Neukölln
Bemerkungen zur aktuellen Radroutenplanung

Fahrradroutennetz

Das Berliner Radroutennetz wurde 1987 [7] durch den Senat beschlossen. Nach der Wende wurde in den 1990er Jahren das ausgearbeitete Routennetz auf den Ostteil Berlins ausgedehnt und angepasst. Anschließend wurden zur Verdichtung des Netzes Nebenrouten festgelegt, die das Hauptroutennetz ergänzen sollen. Im Norden Neuköllns sind die beiden Hauptrouten fertig gestellt (Bürkner Straße - Maybachufer - Lohmühlenbrücke und Oderstraße - Emser Straße - Hertabrücke). Die Nebenrouten sind im Bau und in der Planung.

Stadtplan Neukölln mit hervorgehobenen Hauptverkehrsstraßen.

Oben: Hauptverkehrsstraßen in Neukölln Nord, Stand 2016, Quelle: Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlin.
Unten: Geplantes Fahrradnetz für Neukölln Nord, Stand 2016. Rot: übergeordnete Hauptrouten, grün: Nebenrouten und Fahrradstraßen. Quelle: Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlin, Bezirksamt Berlin Neukölln. Kartengrundlage: OpenStreetMap.

Stadtplan Neukölln mit hervorgehobener Fahrradroutenplanung.

Für eine gute Erschließung des Stadtteils für den Radverkehr bilden die Hauptverkehrsstraßen weder ein ausreichend dichtes Netz, noch sind sie für ein entspanntes Radfahren geeignet.
Für den Quell- und Zielverkehr müssen Radverkehrsanlagen an Hauptverkehrsstraßen geschaffen werden. Durch Abgase, Feinstaub und Lärm werden diese Trassen aber in nächster Zeit keine attraktiven Strecken für den Radverkehr sein können. Die oftmals geäußerte Meinung, dass Radfahrende an Hauptverkehrsstraßen schneller voran kämen, ist ein Trugschluss. Im Zuge der Hauptverkehrsstraßen sind deutlich mehr Stopps an Ampeln notwendig, als im Nebenstraßennetz. Insbesondere wenn der jetzt in der Diskussion befindliche Umbau von gefährlichen Kreuzungen umgesetzt wird, muss mit längeren Rot-Phasen auf diesen Strecken gerechnet werden. Hinzu kommt, dass die Sonnenallee und die Wildenbruchstraße Buslinien mit dichtem Taktfahrplan aufweisen und daher als Vorrangtrassen für den Busverkehr eingestuft werden müssen.

Auf dem Radroutennetz wäre ein schnelleres Vorankommen möglich, sofern bei der Planung der Vorrang des Radverkehrs tatsächlich so umgesetzt würde, wie in der Berliner Radverkehrsstrategie 2011 [5] beschlossen wurde. Der ADFC hat 2015 ein Umsetzungskonzept "Handeln statt Schönreden" vorgelegt, in dem er die vorhandenen Probleme benennt und Lösungsmöglichkeiten vorstellt. [6]

Das geplante Fahrradroutennetz ist eine sehr gute Grundlage, bedarf allerdings einiger kleiner Korrekturen. Dies wurde im Sommer 2016 bei einem Workshop des Netzwerks Fahrradfreundliches Neuköln diskutiert.

Entscheidend ist, dass Erkenntnisse bezüglich einiger Problemstellen der bisher gebauten Routen erkannt und bei der weiteren Planung berücksichtigt werden. Die aktuelle Planung stammt aus einer Zeit, als Berlin eine schrumpfende Stadt war und Navigationsgeräte noch unbekannt waren. Die Nebenstraßen wurden vom Kfz-Verkehr tatsächlich nur zur Erschließung der Grundstücke genutzt.
Heute dienen die Fahrradrouten im Nebenstraßennetz oftmals auch dem übergeordnetem Kfz-Verkehr, denn die Asphaltierungen für den Radverkehr stellen auch für den Kfz-Verkehr eine Verbesserung dar. Dank Navigationsgeräten werden diese neu entstandenen Strecken durch Tempo-30-Zonen gefunden und genutzt.

Es müssen höhere Qualitätskriterien angewendet werden, da die Fahrradrouten bei dem heutigen Berliner Standard in vielen Abschnitten nur von routinierten, selbstbewussten Radfahrenden befahren werden können. Einen guten Ansatz dazu hat der BUND ausgearbeitet: "Um auch große Teile des bestehenden Routennetzes in den Bereichen des höchsten Bedarfs dennoch weiter zu qualifizieren, schlägt der BUND unter der Bezeichnung 'Berliner Rad-Vorrangroute (BVR)' einen neuen, auf Berliner Verhältnisse zugeschnittenen Standard vor. Ausgewählte Routen mit hohem Bedarf und hohem Potenzial können so an die Qualitäten einer RSV herangeführt und stadtverträglich qualifiziert werden." [8] Ein Großteil der dort geforderten Standards muss auf alle Fahrradrouten angewendet werden:

  • durchgehend hohe Belagsqualität ohne Hindernisse
  • durchgehende Markierung (Piktogramme auf der Fahrbahn, ggf. Leitlinie)
  • getrennte Führung vom Fußverkehr (Ausnahmen im Bestand)
  • Fahrradstraßen im Nebennetz als Regelfall
  • Radstreifen im Hauptstraßennetz
  • kein Querparken
  • Schnee- und Laubbeseitigung, durchgehende Beleuchtung
  • Reduzierung der LSA-geregelten Knotenpunkte
  • ausreichende Bemessung von Mittelinseln, ggf. auch Quersperrung für Kfz
  • geschützte Linksabbieger bei abbiegendem Routenverlauf
  • ARAS vor LSA aus der Nebenrichtung
  • Vorfahrtberechtigung Fahrradstraßen im Nebennetz

Auch die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz hat im Februar 2017 neue Standards für Radschnellverbindungen vorgestellt. Allerdings beziehen diese sich nur auf einige Korridore, die auf großes Radverkehrspotential hin untersucht werden sollen. Hintergrund ist die im Raum stehende Forderung nach Radschnellwegen. Die dort aufgestellten Qualitätskriterien müssen zum Teil allerdings für jede Fahrradroute Gültigkeit haben [9]:

  • Führungsform an Anliegerstraßen: Fahrradstraßen mit Vorrang in Straßen mit geringer Verkehrsstärke Kfz
  • Knotenpunkte: Vorrang der Fahrradstraßen als Regelfall